Nur Fliegen ist schöner...

(c) Stu Savory, 2000

Jock MacDonald war auch als junge Facharbeiter vergeßlich und trottelig, lange bevor er zum plötzlichen Reichtum kam. Kurz nachdem er diesen heruntergekommenen Hund bei sich in seine einfache Facharbeiterbude aufnahm, hatte er einen Riesengewinn im Lotto. Spontan verwirklichte er damit seinen Jugendtraum, fliegen zu lernen. Nach eingehendem Studium der Fliegerhefte am Zeitungskiosk (natürlich ohne dabei eins zu kaufen), beschloß er, in Amerika die Fliegerei zu lernen, denn da war es erheblich billiger als in Deutschland, und er würde weniger Sprachprobleme haben. Also ab mit der Icelandair für 299 Euro ins sonnige Florida. Zuerst lernte er, normale landbasierte Kleinflugzeuge zu fliegen. Jock wurde zu einem begeistertem, wenn auch nicht besonders begnadetem, Freizeit- piloten. Da er aber noch gut vier tausend Mark übrig hatte und sein festgebuchter Rückflug erst in einer Woche ging, beschloß er, auch Wasserfliegen zu lernen. Denn es war sehr heiß in Florida im Sommer und das kühle(re) Naß wäre erfrischend. Also verbrachte er vier sehr intensive Tage mit Unterricht, zumeist mit dem Manövrieren auf dem Wasser, denn Fliegen konnte er schon, er hatte ja insgesamt nun fast 40 Stunden Erfahrung! Als er auch hierbei seine Prüfung, wenn auch recht knapp, bestanden hatte, erhielt er seine vorläufige Wasserflugberechtigung ausgehändigt. Damit bewaffnet, lieh er sich (an seinem vorletzten Tag in Amerika) eine Cessna 185, Hochdecker auf Schwimmern, von der Flugschule aus. Jetzt würde er zum ersten Male (abgesehen vom Prüfungsflug) allein das Wasserflugzeug bewegen; er würde diesen Amis einiges vorfliegen und zeigen, was er für ein toller Pilot war!

Nun, es kam aber anders. Hochmut kommt vor den Fall, sagt man! Lieber Leser, sie lesen jetzt Jock MacDonalds Brief an den dort ansässigen Flugzeug-Versicherungsunternehmen:

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Von: Jock MacDonald, c/o Clan MacDonald, Sassenach Street 666, Anderston, Nr. Glesgie SCHOTTLAND

An: Flugzeug-, Unfall-, Rechts- und Zusatzversicherungen (F.U.R.Z) AG

Betrifft: Unfallkostenerstattungsantrag; hier Ereignisskizze.

Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, liebe F.U.R.Zer,

also es war so: ich flog entlang des Inland-Kanals über Miami, als ich die kleine Tankstelle für Wasserflugzeuge unter mir sah. Auf einem längeren, aber relativ schmalen Steg standen mittig zwei Spritsäulen und rechts davon eine kleine Hütte, wohl das Büro des Tankwarts. Auf dem Flachdach der Hütte stand geschrieben: "Flieger, landet hier zum Tanken. Bei jedem 100. liter Avgas ein Küßchen von unserer hübschen Tankwärterin!" Und tatsächlich, auf einer Liege neben den Tanksäulen räkelte sich eine hübsche Blondine in einem sehr knappen Bikini!

Also nichts wie hin, dachte ich und setzte lässig zum Landen auf dem Kanal auf. Dann fuhr ich flott an den Kai und drehte im letzten Moment scharf nach links, um den Kai auf meine rechte Seite zu bekommen, so daß der rechte Flügel der Cessna gut 15cm Abstand von der Tankhütte hatte. Mensch, war das Mädchen hübsch! Langsam entfaltete sie ihre langen Beine und griff nach dem rechten Flügelende, um das Flugzeug festzuhalten, bis ich es angebunden hatte. Galant, wie ich nun bin, wollte ich ihr zuvorkommen, nahm den Anker samt Leine in die Hand, öffnete meine Tür und sprang heraus.

Leider hatte ich dabei vergessen, daß bei Wasserflugzeugen es nur Festland auf einer Seite geben kann. Prompt fiel ich linkerhand in den stinkenden Kanal, den schweren Anker fest im Griff. Ich konnte (Gott sei Dank) rechtzeitig den Anker loslassen und an den Steg schwimmen. Ich bitte Sie hiermit, mir die Kosten des versunkenen Ankers zu ersetzen.

Nun kletterte ich hinauf auf dem Steg, wo das Mädchen sich vor Lachen kugelte. Soviel zu meinem Imponiergehabe! Nun, die einzige Leine, die ich dabei hatte, war die soeben verlorengegangene Ankerleine. Das Mädchen hatte auch keine, denn die Profis unter den Wasserfliegern haben stets ihre eigenen Leinen dabei. Aber das Flugzeug mußte während des Tankvorgangs befestigt werden, damit es nicht wegdriftete, falls ein Wind aufkäme. Nun, da hatte ich eine meiner genialen Ideen! Da das Flugzeug mittels Metalldraht ohnehin während eines Tankvorgangs geerdet werden muß (um mögliche Funkensprunge zu unterbinden), würde ich das Erdungskabel der Spritsäule gleichzeitig zum Festbinden verwenden! Sie sehen, liebe F.U.R.Zer, ich nehme es sehr genau mit meinen fliegerischen Pflichten gegenüber der Versicherungsgesellschaft! Also nahm ich das Erdungskabel in die Hand, lächelte das hübsche Bikiniwesen wieder lässig an und sprang zum rechten Schwimmer des Cessnas hinüber.

Leider hatte ich vergessen, das Erdungskabel von seiner Aufwickeltrommel genügend (oder überhaupt) abzuwickeln. Das Kabelstück in meiner Hand war zu kurz. Auf halbem Weg zum Flugzeug, mitten in meinem imponierend athletischen Sprung, war das Kabel zu Ende. Es kam was kommen mußte. Ich fiel schnurstracks wieder ins stinkige Wasser des Miami Stadtkanals!

Das Mädchen konnte sich vor Lachen kaum halten! "Mach's bitte nochmal. Aller guten Dingen sind drei!" forderte sie, sich vor Lachen biegend. Ich lehnte dankend ab und versuchte, die Situation zu retten. Das Mädchen beruhigte sich endlich, zog mehr Erdungskabel von der Rolle und warf mir das Kabel zu. Nun, bei meinen letzten Fall ins Wasser hatte ich leider den Sägezahngriff am Ende des Erdungskabels abgerissen und in die unbekannten Tiefen des dunklen Wassers fallen gelassen. Also mußte ich das Erdungskabel fest in die Öse am rechten Flügelstreben der Cessna binden. Durch diese kleine Tat fühlte ich mich wieder erfolgreich und sprang vom Schwimmer der Cessna zum Tanksteg.

Leider, wie der große Isaac Newton uns gelehrt hat, sind Aktion und Reaktion gleich, aber in entgegengesetzter Richtung. Durch den Wunsch, der hübschen Blondine endlich zu imponieren, geblendet, hatte ich vergessen, daß ein Wasserflugzeug eben kein stabiles Objekt ist. Während ich mich in Richtung Kai bewegte, bewegte sich die Cessna leider genau in die andere Richtung. Und prompt landete ich wieder im schmutzigen Kanalwasser. Das Mädchen mußte so herzhaft lachen, daß sie sofort auf die Toilette verschwinden mußte, sonst hätte sie in die Hose gemacht, meinte sie.

Und so mußte ich selber tanken und bekam meine zwei Küßchen für die 200 Liter nicht! Aber deswegen will ich mich nicht bei Ihnen beschweren. Nein, leider ist der Versicherungsfall noch nicht beendet!

Es begann plötzlich furchtbar zu regnen, wie das öfter in Florida im Sommer der Fall ist. Die Blondine blieb daher unter'm Vordach des Toilettengebäudes auf dem Festland stehen und schaute mir wieder interessiert zu. Ich hatte ja selber vollgetankt und die entsprechende Summe auf einem Kreditkartenbeleg in ihrer kleinen Tankhütte eingetragen, also konnte ich wieder starten.

Ich sprang diesmal ohne Fehler flott und athletisch zur Cessna hinüber. Das Mädchen anlächelnd, zündete ich mir wieder eine Zigarette an (der Tankvorgang war ja bereits beendet) und drückte auf den Anlasser, um den Motor zu starten.

Leider hatte ich vergessen, daß Wasserflugzeuge keine Bremsen haben. So schoß die Cessna beim Anlassen sofort nach vorne. Oder fast nach vorne. Denn in meiner Eile, um nicht im starken Regen naß zu werden, hatte ich vergessen, die Erdungskabel loszubinden. Bevor ich kapierte was los war, zog das Kabel stark an der rechten Flügelstrebe.

Dies führte dazu, das die Cessna nun einen Halbreis nach rechts machte, während das Kabel sich um die Tankhütte wickelte.

Leider wurde das Kabel durch diese Aufwicklung kürzer und so raste die Cessna auf den Tanksteg zu, in einem immer enger werdenden spiralförmigen Halbkreis. Sie rammte sodann den Steg mit hoher Wucht.

Leider traf das linke Flügelende aber die beiden Tanksäulen und riß deren Köpfe ab, so daß Benzin wie eine Fontäne in die Luft spritzte und im Kanal niederging. Es wurde ernst, sehr ernst. Ich mußte etwas unternehmen! Ich bin ja ein tapferer Mann, aber um ernsthaft zu arbeiten, muß ich mich konzentrieren und nicht durch Nebentätigkeiten ablenkt werden. Deshalb warf ich meine Zigarette aus dem Fenster.

Leider hatte ich vergessen, daß die Benzinfontäne auch im Wasser landete. Und so es kam was kommen mußte, es gab eine Riesenexplosion und der holzerner Tanksteg begann lichterloh zu brennen! Die Wucht der Explosion schob die Cessna aber rückwärts. Das Erdungskabel war mittlerweile gerissen, so daß ich mich von der unmittelbaren persönlichen Gefahr entfernte. Nichts wie fort von hier, dachte ich, und ließ den Cessna Motor erneut an.

Leider, als wir vorher den Steg gerammt hatten, war die untere Hälfte des Propellers abgebrochen. Dies hatte ich nicht bemerkt, da die untere Hälfte von der Kabine aus nicht sichtbar war. Durch die daraus resultierende Unwucht brach der Propeller dann beim erneuten Anlassen gänzlich entzwei.

Die beiden abgebrochenen Teile des Propellers flogen weg und bohrten sich mit viel Wucht in die Vorderteile der beiden Schwimmer der Cessna.

Dadurch wurde die Cessna kopflastig und sank binnen weniger Minuten. Ich bitte höflichst um Erstattung der damit fälligen Versicherungssumme!

M.f.G. Jock MacDonald


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