Chiffriergerätebau : Monoalphabetische Substitution.

© Dr. Stuart Savory, 2001

Wir sahen bereits, dass der "Cäsar Chiffre" eigentlich sehr leicht entzifferbar ist. Wie kann man es nun besser machen? Man kann den unteren Alphabetstreifen durcheinander würfeln.

Beispiel :

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z

L P G S Z M H A E O Q K V X R F Y B U T N I C J D W

Statt eines St. Cyr Schiebers, kann man natürlich eine Chiffrierscheibe einsetzen, wie in Bild 3 abgelichtet.

Bild 3 : Eine Chiffrierscheibe entspricht ein St. Cyr Schieber

Historische Bemerkung: Dies entspricht der Walze 1 einer Enigma D.

Für Cäsars Nachricht " ICH KAM , SAH UND SIEGTE "

erhält man "EGA QLV, ULA NXS UEHTE". Jetzt kann die Schulklasse ihre Pappstreifen verschieben und probieren wie sie will, sie wird nur Nonsens erhalten, solange sie die Reihenfolge der durcheinander gewürfelten unteren Buchstaben-Streifen nicht kennt.

Sender und Empfänger kennen aber diese durcheinander gewürfelten unteren Buchstabenstreifen.

Der Sender schaut von der obere Reihe auf den gegenüberliegenden Buchstaben in der unteren Reihe, um beim Abschreiben den Geheimtext zu bekommen.

Der Empfänger schaut von unten nach oben um aus den Geheimtext den Klartext zu erhalten.

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z

L P G S Z M H A E O Q K V X R F Y B U T N I C J D W

Aber der arme Kryptanalytiker (= Code-Knacker)! Wie geht er wohl vor? Dazu verwenden wir eine andere, unbekannte, Substitution.

Kryptanalytiker (= Code-Knacker)

Angenommen, er weiß, dass der Feind (= Sender und Empfänger) Englisch schreibt. Falls nicht, gibt es Frequenzanalyseverfahren, dies aus dem Geheimtext ableiten zu können.

Er erhält folgende chiffrierte, unterschriebene Nachricht:-

OH’P YSH HLBH O’Z BCKBOF HS FOA.

O NDPH FSY’H RBYH HS IA HLAKA RLAY OH LBMMAYP.

--- RSSFE BQQAY

Als guter Kryptanalytiker nutzt er einige einfache Fremdsprachenkenntnisse über Englisch, die er in der Schule gelernt hat. Als da wären:-

1.Wörter mit genau einem Buchstaben sind entweder "A" oder "I".

2.Wird ein Wort mit 3 Buchstaben öfter wiederholt, ist es wahrscheinlich "THE". Merke, "HE" ist auch ein Teil von "THE".

3.Ist das vorletzte Zeichen ein Apostroph, so handelt es sich entweder um ein negiertes Verb wie "DON’T" oder "CAN’T" oder um eine possessive Form eines Substantivs, wie "CAT’S TAIL" oder "DOG’S PAW". Also hinter dem Apostroph steht entweder ein T oder ein S.

4.Ein Fragezeichen am Ende deutet darauf hin, dass das erste Wort entweder WHO, WHAT, WHEN, WHERE, HOW oder WHY ist.

5.Bestimmte Konsonanten kommen öfter zusammen vor. In Deutsch wäre dies z.B. SCH. In Englisch sind es TH, WH, SH, CH.

6.Oft vorkommende Wort-Endungen in Englisch sind "-TION", "-ENT", "-ANT", "-ING" "-ERS", "ENS" und "-ED".

7.Kurze einsilbige Wörter, die "ING" oder "ED" hinzugefügt bekommen, verdoppeln ihren letzten Konsonanten. Bespiele "BEGINNING" oder "HOPPED".

8.In einem Wort mit nur 2 Buchstaben, muss einer davon ein Vokal sein.

9.Wenn man den Namen des Autors erraten kann, hilft dies ungemein.

10. Wörter mit bestimmten Muster sind leicht zu erkennen, z.B. X??X ist entweder THAT oder ELSE oder DEED oder so was. THAT und ELSE kommen oft vor. Und ??X?X ist meist THERE oder WHERE.

11.Muster X’Y bedeutet, dass X=I und Y=M oder Y=D ist. In den meisten Texten kommt D insgesamt öfter vor als M.

Mit diesen 11 Regeln bewappnet, fangen wir nun mit der Entschlüsselung unsere Geheimnachricht an:-

OH’P YSH HLBH O’Z BCKBOF HS FOA.

O NDPH FSY’H RBYH HS IA HLAKA RLAY OH LBMMAYP.

--- RSSFE BQQAY

Regel 3 sagt uns, dass "OH’P" entweder "IT’S" oder "HE’S" sein muss.

Regel 1 sagt uns, dass das "O" am Anfang von Zeile 2 ein A oder ein I sein muss.

Beide zusammen sagen uns, dass O=I, H=T und P=S ist. Also schreiben wir die nun bekannten Buchstaben oberhalb der Geheimbuchstaben über den gesamten Text.

IT’S ??T T??T I ? ????I? ?T ?I?

OH’P YSH HLBH O’Z BCKBOF HS FOA.

I ??ST ???'T ???T T? ?? T???? ???? IT ??????S

O NDPH FSY’H RBYH HS IA HLAKA RLAY OH LBMMAYP. ---

--- RSSFE BQQAY

Regel 10 sagt uns, dass Wort 3 ist wahrscheinlich THAT. Tragen wir also L=H und B=A ein.

IT’S T THAT I A AI T I

OH’P YSH HLBH O’Z BCKBOF HS FOA.

I T T A T T TH H IT HA

O NDPH FSY’H RBYH HS IA HLAKA RLAY OH LBMMAYP. --- A

--- RSSFE BQQAY

Regel 8 sagt uns, dass Wort 6 ein TO sein muss, denn ein anderer Vokal wäre hier nicht zulässig, da es ein solches Wort nicht gibt. Regel 11 sagt uns, dass Z=M sein muss (denn Z kommt insgesamt nur einmal vor, also ist Z eher M als D). Regel 3 in Wort 3 von Zeile 2 sagt uns, dass Y=N ist.

Mit Regel 10 raten wir, dass das 7te Wort in der 2te Zeile HLAKA= THERE sein muss. Jetzt haben wir :-

IT’S NOT THAT I'M A RAI TO IE.

OH’P YSH HLBH O’Z BCKBOF HS FOA.

I T ON'T ANT TO E THERE HEN IT HA EN

O NDPH FSY’H RBYH HS IA HLAKA RLAY OH LBMMAYP. -- OO A EN -- RSSFE BQQAY

 

Regel 8 sagt uns, dass in Wort 6 von Zeile 2 I=B ist. Wörter 4 und 8 in Zeile 2 legen uns nah, dass R=W ist. Zeile 2 lautet also jetzt:-

I T ON'T WANT TO BE THERE WHEN IT HA EN

O NDPH FSY’H RBYH HS IA HLAKA RLAY OH LBMMAYP. -- WOO A E N -- RSSFE BQQAY

Jetzt kommt Regel 9. Ein oft verwendeter (amerikanischer) Vorname ist WOODY.

Und ein wahrscheinlicher Nachname, der in diese Buchstabenmuster auch noch passen würde wäre ALLEN .

 

Jetzt haben wir insgesamt :-

IT’S NOT THAT I'M A RAID TO DIE.

OH’P YSH HLBH O’Z BCKBOF HS FOA.

I T DON'T WANT TO BE THERE WHEN IT HA EN

O NDPH FSY’H RBYH HS IA HLAKA RLAY OH LBMMAYP. -- WOODY ALLEN -- RSSFE BQQAY

Regel 6 gibt bestätigt, dass P=S ist, da =T schon vergeben ist.

Jetzt haben wir insgesamt :-

IT’S NOT THAT I'M A RAID TO DIE.

OH’P YSH HLBH O’Z BCKBOF HS FOA.

I ST DON'T WANT TO BE THERE WHEN IT HA ENS.

O NDPH FSY’H RBYH HS IA HLAKA RLAY OH LBMMAYP.-- WOODY ALLEN -- RSSFE BQQAY

Unter Verwendung bisher nicht benutzter Buchstaben raten wir den Rest und bekommen:-

IT’S NOT THAT I'M AFRAID TO DIE.

OH’P YSH HLBH O’Z BCKBOF HS FOA.

I JUST DON'T WANT TO BE THERE WHEN IT HAPPENS.

O NDPH FSY’H RBYH HS IA HLAKA RLAY OH LBMMAYP. -- WOODY ALLEN -- RSSFE BQQAY

Sieg! Wir haben also die geheime Nachricht geknackt, ohne dass wir die verwürfelte Reihenfolge des Senders Alphabets kannten .-)

Warum war dies so einfach, dass man mit etwas Übung binnen weniger Augenblicke die Lösung fast immer ‘sehen’ kann?

Denn das Hauptproblem bei diesem Verfahren ist, dass ein Buchstabe immer nur den selben Codebuchstaben hat. In unserem obigen Beispiel ist F immer D und O ist immer I.

Um deutlich sichere Chiffrierverfahren zu bekommen, brauchen wir also Methoden und/oder Maschinen die die Substitution öfter, regelmäßig oder gar jedes Mal, ändern.


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